Wird von „Kunst mit Licht“ oder von
„Lichtkunst“ gesprochen, operiert man, terminologisch, bereits mit einigen
Voreinstellungen.
Gemeinhin spricht man nicht von
Farb-Malerei, aber schon von Ton-Kunst, es gibt concept-art und wer als Kunst-Maler
oder -Handwerker in den gelben Seiten steht, wird seine Werke kaum im Museum
für Moderne Kunst wiederfinden - außer er arbeitet für dort vertretene
Künstler, die das Produkt wiederum durch ihren Namenszug umkodieren.
Das Wort „Kunst“ - als Zusatz oder
alleinstehend - hat also bereits in Bereichen, die der sogenannte Kunst-Betrieb
abdeckt, eine durchaus vielschichtige Konnotationsbreite. Festzustellen ist,
daß der Zusatz „Kunst“ in allen Zusammenstellungen zumindest eine gemeinsame
Art der Funktion impliziert: erhöhter symbolischer Wert bei abnehmenden
Nutzwert. Oder anders gesagt: je esoterischer die Bedingungen sind, unter denen
ein Produkt hergestellt wird, desto eher eignet es sich dazu in dazu
vorgesehenen Rezeptions-Sphären als Kunst zu fungieren. (Was natürlich auch ein
Nutzen ist, jedoch nicht in der Art, wie er der „Lichtkunst“ zum Problem wird).
Der Zusatz „Kunst“ hat also generell den
Anklang einer pejorativen Veredelung. Einerseits wird der voran- oder
nachgestellte Begriff durch den Term „Kunst“ in den Bereich symbolisch
bedeutsamer Werte versetzt, also veredelt, andererseits klingt im Suffix immer
auch die Nachträglichkeit und damit eine gewisse Abschätzigkeit an. „Ist ja
Kunst“ sagt der Handwerker zu etwas Überflüssigem.
Diese begriffliche Ambivalenz hat ihre
Gründe nicht zuletzt in der sogenannten Autonomie der Kunst, bzw. in nicht
unerfolgreichen Bestrebungen, ihre Produzenten mitsamt Produkten als autonom
darzustellen. Daß der Begriff der Autonomie zu Zeiten besonders betont wird, in
denen die Künstler sogar das Recht auf die Selbstdarstellung ihrer Person den
Medien überlassen, mag als Indiz dafür herhalten, wie es um diese Autonmie
steht. Sei’s drum... Die Ideologie der Autonomie führte jedenfalls dazu, daß
für das künstlerische Produkt, das „Werk“, eine Art Absolutheits- und
Verfügungs-Anspruch entsteht: Das Werk hat für nichts anderes da zu sein, als
für sich selbst, ist nur sich selbst verantwortlich, Kunst hat keine Moral,
etc., etc. Es erfolgt, durchaus im Sinne der Produktlogik, eine Freistellung
des Werks, es wird abstrakt, und zwar weniger
im Hinblick auf das Dargestellte als im
Hinblick auf die Ersichtlichkeit
seiner gesellschaftlichen Bezüge und
Funktionen. Kunst als Menetekel der Selbstreferenz.
In diesem Kontext wird vielleicht
verständlich, warum es die „Licht-Kunst“ vergleichsweise schwer hat, als
gleichberechtigter Teilnehmer in diesem Wettbewerb um Nutzfreiheit zu bestehen.
Denn Licht hat, glücklicherweise, durchaus einen Nutzen, und nach solchem wird
es zumeist beurteilt: wie hell, wie genau, wie entsprechend oder passend - für
Etwas. Licht braucht Gegenstände, denn es braucht Reflektion - ohne Reflektor
ist es unsichtbar und damit nicht einsetzbar. In dieser Angewiesenheit auf ein
Anderes ist es uns geläufig und wir haben die Sichtweise auf Dinge, die uns das
Licht zum Leuchten bringt, über Jahrhunderte eingeübt.
Was dem Gebrauch der Gegenstände und der
Lesbarkeit der Welt unschätzbar zuträglich ist, gereicht der Licht-Kunst zum
Nachteil - sie ist auf Gegenstände verwiesen; sie wird, sozusagen als Zweites,
einem bereits Bestehenden hinzugefügt. Alles, was leuchtet, hat bereits eine
vorgängige Form: sei es die Form der Neon-Röhre, oder die leuchtende Kiste des
Monitors, die Strukturierung einer reflektierenden Wand oder die Form des
beleuchteten Raums. Und selbst wenn durch gleißende Helligkeit (wie etwa bei
Gary Hill oder Gerhard Merz) fast verzweifelt auf die Eigenständigkeit des
Leuchtens gepocht wird, bleibt doch die Hülle, die das Inferno erst ermöglicht
- und der Bezug, den wir an ihr suchen, um uns zu orientieren. Sogar bei James
Turrell ist es schwer zu sagen, ob seine Inszenierungen des Lichts nicht eher
eine Theatralisierung von Baumaßnahmen darstellen, denn eine tatsächliche
Freistellung des Lichts.
Nun kann man diese Bezogenheit als Nachteil
für die Kunstfähigkeit des Lichts betrachten - und als Vorteil für das Design,
das ja vom Bezug auf Gegenstände lebt.
Ich plädiere dafür, den sowieso nicht mehr
haltbaren Autonomie-Anspruch der Kunst zu streichen und Positionen zu suchen,
in denen mittels künstlerischer Mittel die Selbstverständlichkeit des Nutzens
befragt wird.
Dazu ist notwendig, die Plätze
privilegierten Zeigens zu verlassen, den Werkbegriff aufzugeben und
gleichzeitig auch den Autoren-Status soweit zu relativieren, daß integrative,
also gruppen-orientierte Arbeitsformen, vorstellbar und applizierbar werden.
Als Beispiel für eine solche Arbeitsform
möchte ich die seit 2 Jahren installierte interaktive Brücken-Beleuchtung für
die Nordpol-Brücke, City-West, Bochum, anführen und im folgenden kurz
beschreiben.
Ausgangspunkt meiner Überlegungen hierzu
war eine einfache Metapher: wir alle sitzen mittlerweile täglich vor dem
Computer, der eine lang eingeführte Mensch-Maschine Interaktionsform als Basis
hat - die Schreibmaschine. Ob wir nun auf dem Bildschirm einen Buchstaben
setzen, ein Lasso schwingen oder mit Pfeilspitzen Orte markieren: immer sind
die verwendeten Symbole mit Referenz auf eine individuelle und in gewissem Sinn
archaische Tätigkeit ausgestattet: ICH markiere, ICH schieße, ICH fange ein.
Obwohl wir wissen, daß diese Ich-stärkende Funktion sehr fragil ist, und
jederzeit der Smiley zur Bombe mutieren kann, verlassen wir uns auf das
mechanistische Grundmuster: Ich mache und ich sehe, was ich mache.
Wie nun aber, wenn das, was wir auch
wissen, daß nämlich jeder geschriebene Text nur Segment einer jeweils
umfassenderen Sorte von Text ist, sich auch auf unserem Keyboard wiederfinden
würde? Was wäre, wenn statt eines sets von definiten Eingabe-Möglichkeiten sich
ein langgstrecktes interface vor uns befände, auf dem mehrere Interakteure in
verschiedenen Formen Eingaben machen könnten? Dementsprechend wäre dann der
Bildschirm auch nicht mehr das Pendant eine Spiegels (mein Konterfei als
writing head), sondern vielleicht ein langgezogenes Band auf dem sich die
Aktionen der Akteure aufzeichnen und untereinander mischen würden...
Die Brücke setzt nun die Lauffläche als
keyboard und die beiden Glas-Geländer rechts und links als Monitore ein - wobei
Radar-Sensoren die Bewegungen auf der Lauffläche verzeichnen und die
beschichteten Scheiben einzeln angesteuert und beleuchtet werden können;
Monitore mit sehr grober Pixelung...
Die Grundfunktion ist eine analoge: Jeder,
der die Brücke überquert, hat seine Lichtbegleitung; wo gegangen wird, ist es
hell. Ergänzt wird diese Funktion durch eine weitere: jeder kann, entsprechend
der Laufgeschwindigkeit ein anderes Muster erzeugen. Dieses wird sich, kommt
jemand entgegen oder kreuzen sich die Wege, verändern und mit anderen Mustern
verrechnen. Eine Komposition über und durch das Miteinander.
Wenn längere Zeit unbenutzt, beginnt die
Bücke zu träumen: kürzere Sequenzen werden wiederholt oder neu eingespielt.
Es tanzt der Signifikant - und aus der
Distanz wird ein Bild der Bewegung sichtbar, die das Licht erzeugt:
gleichzeitig als Indikator und Verursacher.
10.05.02